Die schmelzende Winterhülle, brachte allmählich den Frühling hervor und die Samen brüllen auf.
Der Südföhn wühlt in den letzten Schneenischen der Eisschmelzwiese. Der Schnee, der den Trug der Farben bisweilen gut überdecken konnte, schmilzt in den Kübeln und hervorkamen allmählich ertrunkene Insektenkadaver, verklammt in der Kälte der Gefühle, im letztjährigen Phasenwechsel der Aggregatzustände.
Komm lieber Mai und mache.
Sie opfern die Erstlingsblüten.
Sie gehen in ihre Wiesen und brechen jede Blume.
Sie ziehen ihre Blumen für ihre Busen und Geschlechtsorgane.
Sie streicheln die Weidenkätzchen.
Und die schönsten Blumen finden sich im Verkehrsbegleitgrün. Und über den Städten wird Gras wachsen.
An der Kante der Tag- Nacht-Gleiche, als Tag und Nacht gleich wurden, am Äquinoktium des Melatonins, kamen später dann die ersten Maitiere zu tage.
Die suchenden Bienenvölker finden bereits irgendwo honigferne Blüten verschämter Pflanzen und tragen den farbigen Staub an ihren Härchen in die Beuten des Aristaios der zunehmend immer öfter Eintagsfliegen in den Wabengassen findet.
Die Immen sind bereits im Sturm und Drang, während die markierten und bezifferten Königinnen ihre fluglochnahe Bruttätigkeit beginnen. Der Stachel der Königin verkam zum Samenleiter. Wehrhaftigkeit und Vermehrung liegen im Stachel vereint. Der Tod der Biene wird durch ihr Stechen besiegelt. Wehrhaftigkeit bedeutet gleichzeitig ihr Wille zum Tod. Doch viele deiner Bienen haben eine liebvolle Genetik.
Tod, wo ist dein Stachel?
Der Totenfall des Winters wird hinausgebracht und erste Drohnen schon erbrütet.
Drohnen werden nicht ernst genommen, da sie niemals stechen und haben somit Narrenfreiheit, bis sie als non grata angesehen werden und dann bis August allmählich aus den Völkern rausgezerrt werden. Das Matriachat des Augusts tolleriert keine gefräsigen, dicken, faulen und dummen Bienen mehr. Sie beteiligen sich weder am Einsammeln von Nahrung, noch besitzen sie einen Sammeltrieb, sowie auch die biologischen Werkzeuge, wie Bürstchen und Körpchen. Sie lassen sich in aller Bequemlichkeit von den weiblichen Immen füttern, ihr Gehirn ist kleiner als das der Arbeiterinnen und der Königin. An der geistigen Minderwertigkeit des männlichen Geschlehts ist nicht zu zweifeln. Die einzige Legitimation der Drohnen ist die Begattung der Königin. Obwohl eine unbegattete Königin nur wenige Drohnen braucht um begattet zu werden, erzeugt ein Volk viele hundert, von denen fast alle ihr Lebensziel verfehlen, wie die Natur so manches in verschwenderischer Fülle schaft und dann verkommen lässt. Nach dem Winter wird wieder für den Winter vorbereitet. Obgleich die Bienen Frühlingstiere sind, dreht sich ihr ganzes Leben in Vorausschau, um den Winter. Zukunftstiere. Die Waben - ihr Abbild des Fleißes, die Gebäude, die sie in Verborgenheit für den Nektar bauen. Synchron mit den Pestwurzen kommen die ersten Morcheln zutage. Und mit den Morcheln die ersten Weißelzellen. Weißelzellen wie Morcheln. Und dann - die große Schwarmzeit. Schwarmtrauben hänge an den Bäumen wie Wintertrauben. Es ist die Zeit der Manien, vielleicht litt sie der Schwarm?
Persephone, die aus dem Hades entsteigt, bringt jeden Lenz ein bisschen Tod aus dem Hades mit und jeden Herbst, Leben in den Hades zurück.
Die 6eckigen Waben wurden zu chemischen Strukturformeln mit Benzolring.
Und sie singen das Maikäferlied und über das Pommerland.
Fern von alledem kam dann die Zeit der großen Pandemie.
Das ikosaedrische Kapsid mit seinem platonischen Körper, der die Ribonukleinsäure umhüllt, umarmt hetärisch die Zelle mittels des S-Proteins. Verinnerlicht und eingegliedert im Atmen der Menschheit.
Der Strahlenkranz des Viruses wurde zum Strahlenkranz des heiligen Rochus und der heiligen Maria. Ausgebrochen aus dem Gefängnis der Art der Fledermaus, Spezies übergriffig auf den Menschen.
Das einseitige Verhältnis des Parasits, sein unidirektionaler Pfeil, der nur eine Richtung kennt, wie der Fluss der Fieberlinien der quecksilbrigen Kindheit in ihren Fieberthermometern und im Fluss das Quecksilber der Gletscher. Das Warten auf das Ablesen der Temperatur, nervös und ungeduldig (auf dem Weg der Besserung). Die Radiologie bekam aus den schattigen Lungen, Bilder schönster Nachthimmel präsentiert, kleine Krater der Lyriden und Perseriden.
Man konnte die zeitliche Dauer der Pandemie nicht abschätzen. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Ausgangsbeschränkungen und Lockdowns wurden verhängt.
Plötzlich musste jeder in den Tag hinein leben, mit sich und dem Himmel. Durch jede Kleinigkeit wurden sie verunsichert und zu Sklaven. Ihr circadianer Rhytmus kam ihnen abhanden.
Selbst das Wetter und der Tag-Nacht-Rhytmus versklavte sie im Dienste der Sonne und des Regens. Trotzdem denke ich an etwas schönes. An etwas Metrologisches, Klimatisches. Sie scheinen das erste Mal in ihrem Leben den unmittelbaren Eindruck ihres Lebens und ihrer Umgebung zu erfahren. Ihre heilsame Zerstreutheit geriet allmählich ins wanken. Sie waren plötzlich Ausgelieferte der Launen eines Ereignisses, über dem sie nicht verfügen. Plötzlich mussten sie unmittelbar darunter leiden und hoffen. Sie konnten sich nicht an Gott und die Erde wenden, denn sie bekamen keine Antwort. Die Götter leben nur mehr in den Tabernakeln der Kirchen und Kathedralen.
Und du erwartest das Wetter aber es kam nicht.
Dein Reich sollte kommen, aber es kam nicht.
Sonne für Sonne vergingen.
Sie waren plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen und sahen nun, dass die Sozietät in dieser Zeit nichts für sie tun konnte. Sie waren nur etwas innerhalb einer Beziehungsdynamik eines Machtverhältnisses innerhalb der Gesellschaft. Solche, die das Schweigen nicht aushielten, erkannten, dass sie keine Worte für ihre Gefühle besitzen. Sie kannten nur die Sprache des Marktes, politische Ausdrucksformen ihrer Berichterstattung lokalpolitischen Irrsinns und herkömmliche Redeweisen, nicht aber die Sprache ihres Herzens. Ihre Lungen wurden zum neuen Herz. Vielreich bin ich, deswegen bin ich arm an ihrer Welt. Man wusste nichts vom Kranksein und dennoch ist man krank von euch. Die Wirtschaft beklagte eine durch das Virus verursachte Rezession, dabei gehorchte doch alles dem kapitalistischen Prinzip: Ein Parasit vertreibt den anderen. Unzustellbare Briefe, adressiert an die Menschlichkeit. Man sieht eigentlich klar, was es bedarf das neoliberale Marktsysteme am Leben zu halten. Das parasitäre Kaskadenförmige - bestehende aus Gedanken, die in der Natur geboren sind. Kultur bleibt zoologischer Machtkampf.
Die Kommunikationskanäle substantieller Nahrung - ein lautes Schreien und Zerknirschen, missverstanden hinter Glasscheiben stehend. Du hörst nur das Hintergrundgeräusch der Gesellschaft murmeln, insoweit es lebensnotwendig ist, kollabiert im Extrakt der Einsamkeit.
Zwischen Ich und du wird das Sein abgehandelt.
Ich und du,
Müllers Esel der bist du.
Meine Welten, die vom Geschehen nichts wissen. Tiefe Gefühle konnten sie bisweilen nur in flachen Unterhaltungen mitteilen, jetzt schützte lediglich die Einbildung von Liebe, die ihnen gegen ihre Verzweiflung Trost spendet. Doch es war nur die oberflächliche Liebe, eine Liebe aus Selbstsucht im raufasrigen Beziehungsgeflecht des Ichs, das schmutzigste aller Pronomen.
Lari-Fari.
Liebe verlangt etwas an Zukunft. Weswegen es keine Liebe mehr gab. Da es nur eine Frage der Zeit ist, dass die Liebe verflacht und die selbstangeödeten Menschen zunehmend die Liebe mit Beruf und Arbeit überdecken mussten, bedeutete die Zunahme an Nähe durch die Ausgangsbeschränkungen, die unausstehliche Genervtheit in ihren leergestrittenen Häusern und sanguine Gefühle am Kopf.
Nun waren sie nur mehr auf sich selbst gestellt und sahen, was sie wirklich ausmacht. Sie sahen das erste mal sich selbst und waren tatsächlich leere einsame Monaden. Sie hatten jetzt Zeit. Zeit mit sich selbst. Durch die Ausgangssperre und die Quarantäne bekamen sie die Freiheit des eigenen Ichs zurück. Die Isolation brachte eine Triade von Trennungen mit sich: in ihrem Inneren, untereinander und von der natürlichen Umwelt. Sie empfanden sich ihrer Grundfreiheiten beraubt. Sie verkannten die Freiheit, einmal in ihrem Leben sie selbst sein zu dürfen. Sie waren unfähig aus sich herauszugehen und ihr Ich zu offenbaren. Gefangen in sanifizierten Räumen mit nicht abgeschlossener, sich nach innen öffnender Tür, die sie mit Gewalt nach außen zu drücken versuchen. (Nottüren öffnen sich immer nach außen.) Sie nahmen es als selbstverständlich hin, dass sich zweckmäßige Türen immer in Richtung menschlicher Bedürfnisse öffnen. Stummheit und Isolation gewannen überhand. Wenn der Schmerz und Druck sich der Unmittelbarkeit entzieht und selbst die nahen Mitmenschen nicht mehr erreicht.
Wenn das Sprechen über die Sorgen und das Leid als aufdringlich und repetitiv erscheint, obwohl man sich nur ein bisschen nach der Geborgenheit des Mitleids sehnt.
Und sich nach endlosen Erklärungsversuchen indiskret und aufdringlich fühlt.
Und sich vorkommt, man versucht nicht ständig dem anderen ins Wort zu fallen.
Wir haben uns dem Sein ausgeliefert und geben uns den Abgründen und Abstürzen hin, an den geländerlosen Wegen. Wir stürzen aufwärts und abwärts, mit dem wichtigsten Organ voraus, Zenith um Zenith im Schatten der Schwalbe, mit dem wichtigsten Organ am höchsten.
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.
(Brahms: Schicksalslied)
In ihrem Denken der endlosen Tage, fanden sie ihre Gefühle wieder, die sie aber nicht formulieren und ausdrücken konnten. Es stellte sich die simple Frage nach einem sinnvollen Leben in einer sinn- und ziellosen Welt. Ihr Grübeln ist der klägliche Versuch der Quadratur ihrer thymopatischen Gedankenkreise, befangen im Perpetuum mobile der Angst vor der Ansteckung. Erregte Gedanken, dahingesprengt und allgemeine Weisheit vorgaukelnd. Die gesellschaftlichen Schablonen gingen abhanden, sie wurden plötzlich mit einer anderen Art von Schwermut konfrontiert, nicht mit der übliche Klassifikation der eigenen Gefühle und Empfindungen. Ihre Kaltblütigkeit konnten sie nicht mehr in flachen Witzen darstellen. Generell überwogen deutlich die Scherz- als die Klageworte und man wollte die Angst vor dem Unbekannten und den Konsequenzen dadurch verkennen. Man war sich nicht bewusst, dass jeder Witz und ihr Fallerie und Fallera im Grunde ausdruck der inneren Angst war. Sie sind generell der Ansicht, dass wenn man sich nur lange genug etwas einredet, ist es auch so. Das Gesprochene ist Dogma, Realität und Wahrheit. Der Staat stellte keine Direktiven zu Handeln sondern Befehle, aber Kybernetiker können auch nur Schiffe steuern. Der Staat nötigte die Menschen erst einmal abzuwarten und alle unnötigen Tätigkeiten einzustellen. Arbeit ist nur mehr eine gesellschaftliche Umgangsform.
Überall sieht man ihre Wut.
Ihre Bauwut und ihre Produktionswut.
Selbst wenn Arbeit ohne Mehrung von Reichtum und Wohlergehen verbunden ist, wird gearbeitet und produziert, alleine durch ihre unersättliche Wut. Menschen müssen fixiert werden, und werden Gefangene innerhalb der Arbeitszeit an einem bestimmten Ort. Fixiert in ihrer Arbeit.
Gehen sie darin auf und identifizieren sich damit, so wird sogleich ihr gesamtes Leben in der Arbeit fixiert. Arbeit ist ein gesellschaftliches Axiom. Pekuniäre Gründe sind die Maximen einer Ethik aller Raubvölker. Alles was ich zu Danken habe, hat nichts mit Geld zu tun.
Die maniakalischen Menschen wurden zur Passivität und Ruhe genötigt. Ruhe, die sie nicht erhohlend empfanden, sondern nervös machte, wo sie doch Meister sind, im Drängeln und Schlangestehen in ihrer Ökonomie der Verschwendung.
Im Augenblick, als die Gesellschaft dabei war ihre Beherrschung zu verlieren, waren ihre Gedanken erstmals ausschließlich auf den Menschen selbst gerichtet, wenngleich immernoch die eigenen Angelegenheiten am wichtigsten genommen wurden. Die meisten waren empfindlich, was sie in ihren Tagesablauf und Gewohnheiten störte, oder ihren Vorteil bedrohte.
Wie immer verlangte ihre Gereiztheit und ihr Hass nach einem Sündenbock. Die Politik und öffentliche Verwaltung bietet sich da natürlich bestens an, zumal auch die Zeitungen die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Viruses kritisierten.
Fibrillen der Macht, mit denen sie die Marionetten ihrer ärmlichen Systeme steuern, im Wandelhin und Tummelher der Gesellschaft, während doch die Welt an allen Enden der Kugel zerbricht.
Ihr Denken in Äquivalenten ist geprägt von simpelsten Kausaltrieben. Kosten- und Nutzenanalysen im Wertesystem der Zwischenmenschlichkeit und die Menschen, die den Schritt des Landes nicht mithalten können. Gebrauchswert, Missbrauchswert.
Tourismus als Besatzungsmacht.
Opposition und diametrale Antagonismen sind häufig nur Umkehrungen von bereits funktionierenden Paradigmen, keine Zerstörung oder Veränderung derselben. Es ist einfach Systeme in das Gegenteil zu verkehren, indem man einfach alle Aussagen und Prämissen antagonisiert. Die Prämissen und Aussagen bleiben die selben, nur mit unterschiedlichem Vorzeichen. Nichts Neues wird geschaffen. Ein vorwärts laufender Motor läuft plötzlich rückwärts, doch das Konzept des Motors bleibt das selbe und funktioniert immer noch nach den gleichen Prinzipien.
Und so funktioniert ihre gesamte Politik und ihre Rhetorik. Die Umkehrung aller Prämissen, die Umkehrung des Kreuzes.
Und die Logik ihrer Schaumstoff- und Plastilinwelt wurde furchtbar und es kam zu einer Diskreditierung der vernunftszentrierten Ordnung der Gesellschaft. Je weniger Sinn eine Aussage besitzt, desto politischer ist sie. Auf die Totenzahl sprach die Einbildungskraft der Gesellschaft nicht an. Man relativierte und sprach sich gegenseitig Mut zu. Den meisten waren die Gesetze der Pandemie und das Gesetz des Keils zu abstrakt, um erfasst zu werden. Die Zahlen konnten ihnen das Ausmaß des anwallenden Aufsterbens nicht vermitteln, damals in der Üppigkeit des Frühlings hinein, als die Hydra wieder ihr Unwesen trieb.
Für manche wurde die Abstraktheit des Viruses zur Konkretheit. Man tröstete sich mit der Vorstellung, dass dies nur temporär sei, und die Todesfälle hauptsächlich ältere Personen mit Vorerkrankungen betrafen. Der Schleier aus Weinen und der Schimmer der Trauernden, die seufzenden Schritts ihre Toten zu Grabe trugen, blieb aus. Der Abschied von den Toten wurde vertagt, da größere Menschenansammlungen unbedingt zu vermeiden seien. Man zählte mit den schmerzreichen Rosenkränze die Infektionsketten ab.
Gott hats gegeben, Gott hats genommen.
Wunde und Wunder.
Sie waren stehts bemüht.
Sie feiern Sonntag für Sonntag den Triumph des Schunds, in ihren Köpfen, dort wo ihre Paradiese starben, in ihrem onthologischen Diminutiv.
Die Leiche als medizinischer Idealzustand.
Der Roboter als technischer Idealzustand.
Die Argumentation verlief so, als hätten diese schwachen gesellschaftlichen Personen kein Anrecht länger in der Gesellschaft zu leben.
Mitlaut und Mitleid - abhanden gekommen in ihren demografischen Pyramiden.
Was ihr im Geringsten meinen nächsten getan habt, das habt ihr mir getan. Obdachlose sollten sich auch an die Quarantäne halten müssen, hieß es. Sie sollten zu Hause bleiben, das sie aber nicht besitzen. Herumwandern statt Emigration.
Sie fragen nach dem Sinn der Seuche. Ist es wieder von vorne Anfangen zu müssen? Alle erwiesen sich plötzlich als Ärzte, Virologen und Politiker. Sie wurden Experten der wissenschaftlichen Infantilisierung und der staatswichtigen Lebensführung.
Sie hängen ihre Urkunden und Abschlusszeugnisse an die Wand, als wären es Votivbilder und die Geröllhalden wachsen rasant an, da alle ohne Zögern den ersten Stein werfen.
Alle reden aneinander vorbei und bereits zu Walpurgis bei Tanz und Substanz waren bereits dutzende kleine Heilmittelchen gegen das Virus eingereicht worden, in kleinen schönen pharmazeutischen Glastrunkfläschchen des Hotel Dieux am Fuße des verwölkten Zauberbergs.
Durchstichspunkte fragwürdiger Injektionen und ihr Allheilmittel, das Panakeion aus Wein und grünen Mohnknospen, das gelobte Laudanum. Substanzen, die immer in hochprozentigem Alkohol gelöst sind. Die Wirkung des Alkohols ist immer gesichert, wenn schon das eigentliche Heilmittel versagt.
Das Gute an vielen Krankheiten ist, dass man keine Zeit hat, es zu merken. Ohne Übergang kann es einen treffen und man wird plötzlich aus seinem inneren, schwarzen Diskurs herausgerissen.
Zu nichts mehr Zeit gehabt.
Ich habe keine Worte dafür, deswegen bin ich krank.
Verschwiegen, die alljährlichen Toten ihrer selbst und die vielen Magengeschwüre.
Ich winde den Toten die Kränze des Sommers für die Selbstmörder.
Die Selbstmörder und ihre psychiatrischen Denkmäler nach dem Prinzip von Tode durch Ordnung.
Ihr Weinen verstaubte in ihrer Einsamkeit und das Augenlicht scheint wahllos in die Ferne.
Sie, die die Jahreszeiten noch gut abgrenzen konnten, gevierteilt im Jahre der Ratte des ehernen Zeitalters Hesiods Theogonien. Der kleine Winter im Frühling, wenn es Blüten schneit.
Epidemie,
Pandemie,
Endemie.
Phobophopie.
Nur weil sie etwas nicht sehen können, existiert es für sie nicht, so wurde die Krankheit lange Zeit einfach nicht anerkannt. Schmerz kann man nicht sehen, sondern spüren. Die Präpotenz der Ignoranz von Außersinnlichem ist allzu präsent, doch niemals würden sie die Existenz Gottes in Frage stellen, den sie auch nicht sehen können.
Ihr Stentor der Idiotik.
Ignota und Rara, Invariant in alle Zeit.
Und überall die Präpotenz der Ignoranz.
Dummheit, ein Symptom der Zeit.
Denn die Dummheit ist beharrlich.
Sie verkörpert das Prinzip der Dauer und die Zeit brachte immer mehr Zeit hervor.
Wie lange die Ausgangsbeschränkungen wohl anhalten werden?
Auf der Lauer auf die Dauer.
Die Fasnacht der vermummten Ärzte zog sich bis in das Frühjahr hinein. Und Ostern fiel dieses Jahr aus, für das heuchelnde Fasten von denen, die eigentlich nie Hunger hatten.
Sie fanden reichlich Nahrung.
Nahrung irgendeiner Ahnung.
Die Krokusse blühten auf- zart wie zerbrochene Eierschalen. Die Pestmasken in Venedig wurden aus der menschenleeren Lagune an das Festland gebracht und unter ihnen versteckt lag das heulende Elend. Die Lagunen wurden glasklar und man sah bis zum tiefen Grunde.
Ich sehe endlich ihren moralischen Allgemeinwillen, durchdrungen durch gefühlsmäßige Disjunktionen und der unbestreitbaren Borniertheit des Menschen.
Die ziviltechnischen Genies tragen aufgrund des Infektionsrisikos Masken, wohlgenäht in ihren Kreuzstichen, gefertigt aus dem Velum der Maria.
Sie spenden Applaus mit ihren magernen Händen.
Ihre Schönrednerei erwärmt den Saal durch die Emotionalität der adjektivistischen Sprache ihrer Redundanzdiskussionen.
Ihre Familien aus Wörtern und ihre Papierkinder ihrer strohernen Texte. Sie hauchen in die Erwärmung der Zeit, die entropisch die Wärme sogleich vergisst und dein Mund atmet warm und kalt. Ihre Bravorufe übertönen die eigentliche Botschaft, ihrer infamen Stich- und Schlagworte. Und Hilfeworte sind nur den Ertrinkenden vorbehalten. Aber nicht denen im Mittelmeer, die durch unterlassener Hilfeleistung ermordet werden.
Ist der Mensch etwa besser als seine Kultur? Kultur ist doch nur transzendierte Natur.
Konsonanten, die den Sprachfluss unterbrechen, den Atem abschneiden und die Stimme erdrosseln. Konsonanten, die Würgeperistaltik der Sprache. Inklinationen des Kehlkopfs, an denen die Stimme sich staut. Ihre Stimmfranse des Ja protokolliert auf ihren Papieren der Banausie. Sätze, die man nicht in die Hand nehmen kann. Mit ihren wütenden gelbspeichligen Vokalisen spucken sie ihren Hass in die Welt. Tröpfcheninfektionen und ihre Wut kommen dem Virus zu gute. Protestkundgebungen gegen das Virus der Massen auf den Straßen fördern die Infektion. In Grund und Boden gefallene Worte und an sich selbst wundgeschlagen.
Der Virus schläft, sie erregen sich, sie verausgaben sich und verlieren sich wieder für lange Zeit. Für die Kranken ist der Schlaf wichtiger als das Leben. Wenn wir schlafen, um zu leben und uns von Seite zu Seite gewälzt haben und uns nach einer dritten Seite sehnen.
Sie können die Kleinheit des Virus nicht verstehen, wie sie auch die Biodiversität an den Ufern der Bäche nicht verstehen. Die Rückbildungsversuche der Bäche vereinnahmte jahrelang Landschaftsarchitekten in ihrem konkurrierenden Verhalten gegen die Natur des Flusses anzukämpfen, bis die Natur schlussendlich selbst ihren Lauf nahm und sich selbst überlassen wurde. Und so wurde irgendwann der Virus und seine Dynamik der Natur selbst überlassen.
Das verschwinden der Insekten, des Ungeziefers, wie sie sagen. Die Skalen der Ignoranz,
Emissionsorte der Grausamkeit in ihren Wertesystemen der Größe, die Ordnungsrelation der Wichtigkeit und Lebenswürdigkeit. Schön, wie so etwas kleines und filigranes die Welt verändern kann. Das Milligramm der Medikamente wiegt schwer. Die erfinderischen Flussbette suchen durch die Landschaft die Kanalbreite der Evolution in ihren hemmenden Einfriedungen.
Die Milchlieferungen der Bauern wurden verboten.
Den Kühen wurde ihre Natur zum Verhängnis, da niemand sie molk. Die ihrer Geburtenkontrolle unterworfenen Kühe verendeten, da die Milch nicht zu den absolut notwendigen Produkten zählte. Die laktierenden Kühe verstanden aber nichts von Herdenimmunität und den Durchseuchungsgrad. Die Bauern verstanden es auch nicht. Die Politiker verstanden es auch nicht.
Das Lebewesen Virus, das Geborgenheit und Verinnerlichung sucht, in die Zelle strebend. Wahnsinnige Vermehrung aus seiner Winzigkeit heraus, bloße stoffliche Programme, die nur der Reproduktion dienen. Er füllt den intrazellulären Raum mit seiner Unsichtbarkeit, die Immunabwehr des Wirtes suprimierend und hintergeht dem Erinnerungsoptimismus des Immunsystems. Das Virus drängt ins Innere und wird selbst Teil des Körpers. Seinsfindung und Verwirklichung.
Jede Bekämpfung des Virus ist somit ein destruktiven Akt, gegen sich selbst gerichtete Autoaggression. Die Immunreaktion auf das Virus ist schlussendlich eine Autoimmunerkrankung. Hätte ich nicht bewusst aufgegeben können, so hätte ich es gemusst.
Wie schön, dass die Welt dem Kleinen und Filigranen wieder Achtung und Respekt zeigt. Du bist gesundet, da deine Organe schwiegen, eingebettet im lichtlosen Fleisch des Körperinneren. Der Arzt übersetzt ihre Geräusche und ihren Lärm und den fadigen Puls auf den Intensivstationen, während sich die Lungen der infizierten aus- und einbuchen.
Viele wurden durch Medikamente steril, aber nicht gesund.
Die Virionen werden zu den gausschen Glockenkurven ihrer explorativen Statistik, während die Glocken die leeren Gottesäcker für seinen Ruf beklingen. Die sklerotischen Strukturen der gotischen Kathedralen, jede für sich ein Turmbau zu Babel. Verstummt in der Archaik, unverständlich den vielen geworden. Glasfenster im Land, wo es niemals keine Sonne gibt. Kirchenfenster als Lichtlaunen und draußen die profanen Scherben ihres Glaubens, zwischen Devotionalienkult mit Christussen, geschnitzt aus Jerusalemhölzern, die schmerzreich ihre Golgathakränzchen tragen.
Sie sehen die logistischen Kurven und die Grundschüler begannen die Infizierten zu zählen und prognostizieren mit ihren Abzählreimen den weiteren Infektionsverlauf. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und irren ist menschlich. Sie schieben die gläsernen Globen auf ihrem Abakus weiter und spielen Glasperlenspiele, jede Perle eine Träne. Die Erwachsenen zählen die Antikörper der immunen Menschen, wobei die Statistik gestorbene und immune Menschen gleich behandelt. Statistik ist schlussendlich nur Kasuistik und mathematische Mantik, formuliert in ihren wissenschaftlichen Epitomen.
Globuline und Globuli.
Tod und Immunität sind in ihrer Statistik der RSI-Modelle das selbe und verändern die Kurven nicht. Bist du schon immun oder gestorben?, fragen die Datensammelwütigen. Das ist irrelevant!, antworten die Toten, verscharrt in die Erde, die namenlos macht.
Mnemosynes Immunsystem gerät ins Wanken, die Erinnerungen der Antikörper verblassen.
Das Gedächtnis des Kuckucks.
Tröpfcheninfektionen in ihrer spuckenden sprachlichen Aerosolen der Wut und des Hasses, während sie Großsein spielen.
Mahlers Posaunen in der Ferne warnen bereits vor der Ankunft in der ländlichen Heimat. Und plötzlich kommt der Umkehrschluss. Sie schreiben die Landschaft zu Tode. Sie schreiben das Detail zu Tode. Sie schreiben den Menschen zu Tode. Das Fürimmersein am Ende.
Die Ortschaften wurden immer feindlicher, dein Auge schon leicht geschwärzt von deinen Gedanken, fortgeschritten im Katarakt der Depression.
Langsame Heimkehr ins Hier, Klause um Klause. Ein Rückfall, Berg für Berg. Tal für Tal nahm dir den Trost. Aufschaukelnde Protuberanzen sich der Welt entledigen zu wollen.
Die Straßen verloren ihre Ränder und alles wurde dichter und allein. Wenn die Jahreszeit wieder nebelt und sobald die Zweige schmal werden, nebelgesättigte Luft, virusgesättigte Luft, kommt die zweite Welle der Pandemie, dem maritimen Imperativ gehorchend.
Deine Füße waren doch eben noch in der Normandie, wo Van Goghs Strohballen in das Meer der Normandie zu rollen schienen, am Alabasterstrand. Dein Herz war noch im französischen Hinterland in den menschlosen Niemandsbuchten Handkes, in den Eichen- und Buchenwäldern wo sich die Pilznarren bekanntlich verspäten. Dir lagen noch die Kathedralen vor den Füßen, am Tympanon der Welt und langsam dämmert hinten das Tal aus Schwefelflechten und luzidem Nihilismus.